Career Longevity Grundlagen
Career Longevity ist ein zeitgemässer, ganzheitlicher Ansatz, wie berufliche Entwicklungspfade erfolgreich, gesund und nachhaltig über mehrere Lebensphasen hinweg gestaltet werden.
In diesem Leitfaden erfährst du mehr über Career Longevity und wie dieses Modell die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen und Individuen positiv beeinflusst und einen Beitrag leistet, die Produktivität der Wirtschaft und damit unseren Lebensstandard zu erhalten.
Unternehmen erfahren, welche Strategien, Modelle und Denkweisen erforderlich sind, um Mitarbeitende zu gewinnen, zukunftsfähig zu halten und attraktive Laufbahnen zu ermöglichen. Unabhängig davon, ob jemand am Anfang seiner Karriere steht oder eine berufliche Laufbahn auf neue Gegebenheiten ausrichten möchte, bietet dieser Leitfaden wertvolle Einblicke und praktische Tipps, nachhaltigen Erfolg zu erzielen.
Was ist Career Longevity?
Career Longevity bedeutet, eine erfolgreiche und erfüllende berufliche Laufbahn über einen langen Zeitraum aufrechtzuerhalten und nachhaltig gesund zu gestalten. Dabei werden verschiedene Lebensphasen berücksichtig, die bei jedem Menschen unterschiedlich sein können. Dieser Ansatz ist ganzheitlich und umfasst die persönliche, gesundheitliche und berufliche Weiterentwicklung.
Der Career Longevity Ansatz ist zeitgemässer als traditionelle Ansätze wie der des lebenslangen Lernens, da er die nicht Linearität von Lebens- und Berufsmodellen spiegelt und den Menschen sowie die Bedarfe von Unternehmen ganzheitlich betrachtet. Er unterstreicht die Bedeutung der Aufrechterhaltung von Sinnhaftigkeit, Anpassungsfähigkeit und Wachstumsdenken (Growth Mindset) im Berufsleben. Das Konzept hat sich weiterentwickelt, da sich der Arbeitsmarkt und die Karrierewege im Laufe der Zeit verändert haben, weg vom traditionellen Modell des Verbleibs in einer Stelle oder einem Unternehmen während der gesamten Laufbahn hin zu fluiden, Lebensphasen orientierten Laufbahnen.
Warum ist Career Longevity wichtig?
Unsere Zeit ist geprägt von vielschichten Veränderungen und Paradigmenwechseln: ökologischer Wandel, technologische Entwicklungen, erhöhte Mobilität sowie sich ändernde gesellschaftliche Ansprüche. Diese langfristigen Trends haben sich in den letzten Jahren beschleunigt, was ein angepasstes Verständnis von Lebens- und Karrieremodellen sowie Arbeitsweisen in Unternehmen erfordert.
- Demografischer Wandel
Der demografische Wandel wirkt sich direkt auf die Umwelt, Volkswirtschaft, Sozial- und Gesundheitssysteme sowie auf den Lebensstandard aus und verändert die Arbeitswelt tiefgreifend (OECD 2020).
Steigende Lebenserwartung und sinkende Geburtenraten verringern den Anteil der Bevölkerung im traditionellen Erwerbsalter erheblich. 2050 wird es in Deutschland etwa 5 Millionen mehr Seniorinnen und Senioren (über 67-Jährige) geben und 7 Millionen weniger im Erwerbsalter (20 bis 66-Jährige). Im Vergleich zu 2000 wird sich 2035 der Anteil der Seniorinnen und Senioren gegenüber den Erwerbstätigen etwa verdoppelt haben (Bujard, 2022). Die OECD (2020) geht davon aus, dass der Anteil der Bevölkerung im Alter von 50 Jahren und älter bis 2050 auf durchschnittlich 45% ansteigen wird (2020 waren es 37%).
Gleichzeitig sind älteren Erwachsenen von heute im Durchschnitt gesünder und besser ausgebildet als jede Generation zuvor. Dies ergibt das Potenzial, dass Menschen länger arbeiten und zur Gesellschaft beitragen können.
- Fachkräftemangel und Verknappung
Eine grosse Herausforderung ist der Fachkräftemangel aufgrund der Verknappung. In IT, Pflege bzw. Handwerk werden in Deutschland 2024 Fachkräfte für geschätzt 1.8 Mio. Stellen fehlen (Hüther, 2024, DIHK, 2023). Gemäss der neusten Bitkom-Studie (2024) geben 57% der Unternehmen an, dass sich deren Geschäftsmodell infolge der Digitalisierung verändert. Gleichzeitig ist in den digitalen Berufen der Fachkräftemangel in den letzten Jahren überproportional gewachsen. Dieser wird bis zum Jahr 2027 auf bis zu 128.000 Stellen ansteigen (Goecke, 2024).
- Technologische Entwicklungen
Neue Technologien sind sowohl eine Herausforderung als auch eine Chance für den Arbeitsmarkt. In den nächsten 15-20 Jahren könnten 14% der bestehenden Arbeitsplätze durch die Automatisierung verschwinden und weitere 32% werden sich wahrscheinlich grundlegend verändern, da Aufgaben automatisiert werden (OECD, 2019).
Während die Digitalisierung bei einem Teil der Arbeitnehmenden Angst vor Arbeitsplatzverlust und der Veralterung ihrer Fähigkeiten auslöst, sehen Arbeitgebende eine grosse Herausforderung darin, mit dem Tempo des technologischen und organisatorischen Wandels Schritt zu halten.
Die neuen Technologien fördern jedoch auch ein höheres Produktivitätswachstum, bessere Dienstleistungen und mehr Wohlbefinden. Dies erfordert von Unternehmen und Mitarbeitende, dass sie neue Technologien als Teil der Arbeitswelt akzeptieren und diese nutzbringend integrieren. Es geht darum, wie Mensch und beispielsweise KI in Zukunft zusammenwirken können.
- Veränderte Zusammenarbeit
Technologien verändern die Art und Weise, wie Teams zusammenarbeiten. Sie ermöglichen neue Geschäftsmodelle und innovative Arbeitsweisen, die sowohl den Arbeitgebenden als auch den Arbeitnehmenden mehr Flexibilität bieten. Zum Beispiel erleichtern die Informations- und Kommunikationstechnologien ein Arbeiten an unterschiedlichen Orten. Durch diese Flexibilität lassen sich Arbeits- und Betreuungsaufgaben einfacher vereinbaren. Oder Mitarbeitende können mehr leisten, da die Zeit für das Pendeln vom und zum Arbeitsplatz eingespart wird. Vernetzte Arbeitsweisen fördern die Zusammenarbeit zwischen Mitarbeitenden aus verschiedenen Bereichen des Unternehmens, sowohl geografisch wie auch über Disziplinen hinweg. Teamarbeit wird denn auch als eine der zentralen Fähigkeiten am Arbeitsplatz genannt (OECD, 2020).
- Veränderte Arbeitsansprüche
Mit den gesellschaftlichen und technischen Veränderungen haben sich auch die Arbeitsgewohnheiten gewandelt. Teilzeitarbeit, flexiblere Arbeitsformen (remote Arbeit, Gig-Working) sowie häufigere Arbeitsplatzwechsel haben zugenommen. Die Beschäftigungsdauer ist ein direkter Indikator für die Stabilität des Arbeitsplatzes. Zwischen 2006 und 2017 sank die Dauer der Betriebszugehörigkeit um 4% bei Angestellten mit mittlerem bis hohem Bildungsniveau und um 12% bei Angestellten mit niedrigem Bildungsniveau (OECD 2020).
Damit einher geht auch ein Paradigmenwechsel, was die Zufriedenheit mit dem Job beeinflusst. War früher die fachliche Qualifizierung der Mitarbeitenden im Fokus, so bekommt die persönliche, Lebensphasen orientierte Weiterentwicklung mit zusätzlichen Kompetenzen und Fähigkeiten heute mehr Beachtung. Denn gerade in der hybriden Welt sind neue Fähigkeiten gefragt, wie beispielsweise Selbstmanagement Anpassungsfähigkeit, digitale Kompetenz, emotionale Intelligenz, Kreativität, kritisches Denken, und Resilienz. Unternehmen, die auf die vielfältigen Bedürfnisse eingehen und flexible Arbeitsmodelle sowie Entwicklungsmöglichkeiten anbieten, haben somit die besten Chancen zufriedene, engagierte und gesunde Mitarbeitende zu rekrutieren und halten.
Im Kontext dieser Herausforderungen, Veränderungen und Paradigmenwechsel entsteht ein klarer Bedarf, persönliche und berufliche Laufbahnen ganzheitlicher zu denken als bisher.
- In den 1970er Jahren galt Erwachsenenbildung primär als Investition in eine marktorientierte Wirtschaft. Die Entwicklung des individuellen Potenzials von Menschen stand weniger im Zentrum. Bereits 1962 erklärte das Internationale Arbeitsamt in seiner Empfehlung 117 zur beruflichen Bildung: «Bildung ist kein Selbstzweck, sondern ein Mittel, um die beruflichen Fähigkeiten einer Person zu entwickeln.»
- 1996 war das europäische Jahr des lebensbegleitenden Lernens. Als wichtige neue Errungenschaft wurde die berufliche Weiterbildung neben der allgemeinen Volksbildung, der sozialen Förderung und der Produktivität der Unternehmen als eine der Säulen des lebenslangen Lernens verankert.
- Das Konzept fand im Jahr 2000 seine Fortsetzung im Rahmen der Lissabon-Strategie. Lebenslanges Lernen (LLL). Éric Verdier (2008) nannte das lebenslange Lernen ein «Schlüsselinstrument für die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit, die Innovation und sozialen Zusammenhalt verbinden muss». Wichtige Errungenschaften des Lebenslangen Lernens waren die stärkere Anerkennung der Weiterbildung, besserer Abstimmungen zwischen Erstausbildung und Weiterbildung, die Personalisierung und Individualisierung von Bildungswegen, die Vereinbarkeit von Arbeit, Familie, Ausbildung und dem Engagement als Bürger/-in, eine höhere Durchlässigkeit im Bildungssystem und die Anerkennung von Berufserfahrung.
Der Ansatz von Career Longevity nimmt eine langfristige und ganzheitliche Perspektive ein. Es geht darum, eine nachhaltige berufliche Laufbahn zu ermöglichen, die unterschiedliche Lebensphasen, berufliche Gesundheit und Zufriedenheit einschliesst, um Menschen über viele Jahre hinweg erfüllend und produktiv im Arbeitsleben hält. Als ganzheitlicher Ansatz betrachtet Career Longevity die berufliche Laufbahn als Teil des gesamten Lebens. Anpassungsfähigkeit und Resilienz spielen dabei eine zentrale Rolle, indem der Mensch dabei unterstützt wird, sich kontinuierlich weiterzuentwickeln und auf Veränderungen im Arbeitsmarkt flexibel zu reagieren. Career Longevity legt dabei großen Wert auf die individuelle Entwicklung und das persönliche Wachstum. Die Weiterentwicklungsangebote sind bedarfsgerecht und vielfältig, wie Coachings, Micro Learnings oder Weiterbildungen. Ein weiterer zentraler Aspekt von Career Longevity ist die Förderung der physischen und psychischen Gesundheit. Denn Studien zeigen, dass Verunsicherungen aufgrund von Veränderungen, die steigende Komplexität im Berufsalltag sowie ein schwieriges Arbeitsumfeld Nährboden für zunehmende psychische Erkrankungen sind.
Vorteile von Career Longevity
Career Longevity adressiert als ganzheitlicher Ansatz die aktuellen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und individuellen Herausforderungen und Bedürfnisse.
- Generationenübergreifende Organisation
Für den Erfolg von Unternehmen in der heutigen Zeit wird es entscheidend sein, auf eine generationenübergreifende Belegschaft aufzubauen, die den Wert und den Beitrag von Arbeitnehmenden aller Altersgruppen anerkennt. Dieser demografische Trend der Mehrgenerationen-Arbeitsplätze mit einer größeren Mischung von Mitarbeitenden aller Altersgruppen löst die Pyramide aus viel mehr jüngeren Arbeitnehmenden und relativ wenigen älteren Arbeitnehmern ab. Das Erwerbsaustrittsalter in der OECD (2020) hat sich zwischen 2000 und 2019 um etwa 2½ Jahre für Männer und 3 Jahre für Frauen erhöht. Es werden jedoch große Anstrengungen erforderlich sein, um in Unternehmen Anreize zu schaffen, damit die Arbeitnehmenden so lange arbeiten, wie sie es können, wollen und brauchen.
Dank generationenübergreifenden Organisationen wird die Talentpipeline besser gefüllt, die Produktivität gesteigert und die Widerstandsfähigkeit eines Unternehmens gestärkt. Sie verbessert auch die Kontinuität und Stabilität der Belegschaft und die Erhaltung erfolgsrelevanter Fähigkeiten. Erste Unternehmen nutzen bereits das Potenzial älterer Arbeitnehmenden. Gemäss OECD, 2020, steigt die Beschäftigungsquote älterer Arbeitnehmer stärker als die der übrigen Bevölkerung, und dieser Anstieg ist auf allen Bildungsebenen deutlich.
Voraussetzung für solche Modelle ist, dass die Arbeit so gestaltet ist, dass Mitarbeitende nachhaltig gesund arbeiten können. Gesundheitsprävention, psychologische Sicherheit und mentale Gesundheitsförderung spielen hierbei eine zentrale Rolle.
- Flexible Arbeitsmodelle und Auszeitenmanagement
Der Ansatz von Career Longevity sieht flexible Arbeitsmodell vor, die es den Mitarbeitern ermöglichen, Arbeit und Privatleben besser miteinander in Einklang zu bringen. Diese umfassen verschiedene Ansätze, wie Remote-Arbeit, Gleitzeit, Teilzeit, Jobsharing und mehr. Das Ziel dieser Modelle ist es, dass Mitarbeitende aufgrund veränderter Lebensbedingungen nicht das Unternehmen wechseln müssen, sondern in Abstimmung mit dem Arbeitgeber die Arbeitsform anpassen können. So beispielsweise, wenn ein Mitarbeitender für eine bestimmte Zeit die Pflege eines Angehörigen übernimmt. Flexible Arbeitsmodelle sowie die Integration eines geregelten Auszeitenmanagements im Unternehmen sind dabei zentrale Erfolgsfaktoren.
- Netzwerke
Career Longevity und Netzwerke spielen eine entscheidende Rolle für den beruflichen Erfolg und die persönliche Entwicklung. Der Aufbau von bedeutungsvollen Beziehungen und Netzwerken im Unternehmen fördert einen positiven Umgang mit Herausforderungen und das gemeinsame Überwinden von Rückschlägen. Erfolgreiche Unternehmen fördern und pflegen berufliche Netzwerke, sowohl digital über Kollaborationsinstrumente wie auch physisch vor Ort. Netzwerke können Türöffner, Unterstützung, psychologische Sicherheit bieten und sind oft wertvolle Begleiter in unterschiedlichen Lebensphasen.
Die Umsetzung des Career Longevity Ansatzes in einem Unternehmen erfordert eine strategische Planung und ein proaktives Management. Gemäss diversen Studien zeigen sich zwei zentrale Herausforderungen, die es zu adressieren gilt: eine teilweise Altersdiskriminierung, unterschiedliche Wertevorstellungen gegenüber Lebensarbeitszeitmodellen und fehlende bzw. siloartige Strukturen in Unternehmen.
- Altersdiskriminierung
Aktuell sind Arbeitnehmende über 65 Jahre in den Unternehmen unterrepräsentiert, verglichen mit der gesamten Erwerbsbevölkerung. Große Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten berichten, dass nur 6 % ihrer Mitarbeitenden über 64 Jahre alt sind (OECD, 2020). Ältere Arbeitnehmer erhalten möglicherweise noch nicht die Anerkennung, die sie für die Verbesserung der Teamleistung und Fachkräftesicherung verdienen (Mercer, 2019).
- Traditionelle Lebensarbeitszeitmodelle
Das traditionelle Modell des Alleinverdieners wurde längst durch flexiblere Lebens- und Arbeitsmodelle abgelöst. Die Menschen gehen länger zur Schule, heiraten später und seltener, bekommen später Kinder und arbeiten je nach Lebensphase in Vollzeit oder Teilzeit. Paare teilen sich Familienbetreuung und Erwerbsarbeit auf. Unternehmen sind in ihren Strukturen und Modellen oft noch nicht darauf ausgerichtet.
- Fehlende oder unterschiedliche Zuständigkeiten
In kleinen und mittelgrossen Unternehmen fehlen oft Prozesse und Angebote, die langfristige Laufbahnmodelle mit den erforderlichen Unterstützungen mit Weiterbildungen und Gesundheitsprävention kombinieren. In grösseren Unternehmen sind die Strukturen mehrheitlich vorhanden, aber es fehlt eine ganzheitliche Sicht. Weiterbildungen werden losgelöst von Coachings angeboten und das betriebliche Gesundheitsmanagement ist oft auf die Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz ausgerichtet und obliegt separaten Abteilungen. Ein professionelles Auszeitenmanagement fehlt in der Mehrheit der Unternehmen. Für die Nutzung des Potenzials von Career Longevity ist eine gemeinsame Strategie aller Disziplinen erforderlich.
Career Longevity als strategisches Ziel von Unternehmen
Die Erhöhung von Widerstandsfähigkeit und Flexibilität der Unternehmen bilden vermehrt eine strategische Priorität. Damit einhergehend passen Arbeitgebende ihre Personalstrategien und Arbeitsmodelle an und formulieren Career Longevity als ein strategisches Ziel. Dieses umfasst:
- Kontinuierliche Transformation
Die Verankerung einer kontinuierlichen Transformation als Haltung in Unternehmensstrategien ist entscheidend, um in der heutigen dynamischen Geschäftswelt als Unternehmen und als Arbeitnehmende wettbewerbsfähig zu bleiben. Dazu gehören die Förderung von Resilienz, dem positiven Umgang mit Veränderungen, dem proaktiven Denken und Handeln, einem angstfreien Umgang mit technologischen Veränderungen sowie eine verantwortungsvolle Führung und Zusammenarbeit mit psychologischer Sicherheit (pwc, 2024).
- Bedarfsorientierte Weiterentwicklungsmaßnahmen
Um mit den sich schnell ändernden Anforderungen des Arbeitsmarktes Schritt zu halten, müssen Arbeitnehmende kontinuierlich neue Fähigkeiten erwerben. Dies ist besonders wichtig in einer alternden Gesellschaft, um die Beschäftigungsfähigkeit über die gesamte Karriere hinweg zu erhalten. Ganzheitliche Weiterentwicklungsmassnahmen ermöglichen es, Haltungen (Mindsets), Kompetenzen und Fähigkeiten der Mitarbeitenden kontinuierlich auf aktuelle und zukünftige Anforderungen auszurichten. Dies erfordert abgestimmte Investitionen in Coachings, Weiterbildungen und on the Job Lernangebote wie zum Beispiel Micro Learnings. Auch altersdurchmischte Netzwerke zum Austausch von Erfahrungen und zur Förderung des gemeinsamen Lernens gewinnen an Attraktivität.
- Gesundheitsprävention und mentale Gesundheit
Programme zur Förderung der physischen und mentalen Gesundheit gewinnen an Wichtigkeit in Unternehmensstrategien. Eine umfangreiche Studie von pwc (2023) zeigt, dass etwa 17,3 % der EU-Bevölkerung an psychischen Krankheiten leiden – Tendenz steigend. Als häufigste Krankheiten wurden Angststörungen, Depressionen und Alkohol- oder Drogenabhängigkeit genannt. Diese wirken sich direkt auf die Leistungsfähigkeit aus. Auch berufliche Belastung führt zunehmend zu mentalem Unwohlsein. Die Ursachen liegen in einer Kombination von Faktoren wie die Dauer der Belastung , individuelle psychische Belastbarkeit, Arbeitsklima und private Umstände.
- Auszeitenmanagement
43% der Mitarbeitenden wollen eine Auszeit von der Arbeit nehmen, um sich weiterzuentwickeln und persönlichen Zielen nachzugehen. Dabei handelt es sich längst nicht mehr nur um Weiterbildungen, Sabbaticals oder Elternzeit. So werden beispielsweise in Deutschland gemäss Statista 91% der Pflegebedürftigen durch Angehörige betreut. Manche Menschen werden auch durch eine Erschöpfung oder Erkrankung zu einer Pause vom beruflichen Engagement gezwungen. Ein professionelles Auszeitenmanagement unterstütz Mitarbeitende wie die Teams, dass Auszeiten als Mehrwert und nicht als Bruch erlebt werden. Unternehmen können dadurch wichtige Kompetenzen langfristig sichern.
- Lebensphasen orientierte Modelle
Lebensphasenorientierte Modelle in Unternehmen sind Ansätze, die darauf abzielen, die verschiedenen Lebensphasen der Mitarbeiter zu berücksichtigen und ihre berufliche Laufbahn entsprechend zu gestalten. Diese Modelle sind besonders relevant im Kontext der Career Longevity, da sie die langfristige Beschäftigungsfähigkeit und Zufriedenheit der Mitarbeiter fördern. Sie tragen auch dem Zielkonflikt Rechnung, dass einerseits wegen der alternden und schrumpfenden Bevölkerung alle verfügbaren personellen Ressourcen möglichst produktiv sein sollen und andererseits aufgrund der Beschleunigung und steigenden Komplexität des Lebens und Arbeitens Phasen der Entschleunigung zunehmend wichtiger werden (Rump et al., 2016). Die ganzheitliche Herangehensweise nimmt die ganze Lebensarbeitszeit in den Fokus und ermöglicht unterschiedliche Produktivitätsphasen, dafür insgesamt über eine längere Zeit. Beispiele sind Teilzeit, Gleitzeit, Remote Working ebenso wie individualisierte Pensionierungsmodelle. Damit lassen sich berufliche und private Ziele vereinbaren und Mitarbeitende über eine längere Zeit gesund im Erwerbsleben zu halten.
- Generationenmanagement in Unternehmen
Generationenmanagement als Teil des Diversity Managements in Unternehmen ist ein wichtiger strategischer Ansatz, um die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Altersgruppen zu fördern und ein inklusives Arbeitsumfeld zu schaffen. Es wird in vielen Unternehmen zum unverzichtbaren Mittel, um Wissen zu erhalten und Ressourcen optimal zu nutzen. Während die Wichtigkeit des Generationenmanagements von immer mehr Unternehmen anerkannt wird, fehlt es oft an der konkreten Umsetzung. Beispiele sind Reverse Mentoring, altersdurchmischte Teams, Job-Rotationen, Laufbahnberatungen.
Eine ausgewogene Strategie mit Career Longevity Fokus wird vermehrt auf ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Stabilität und Anpassungsfähigkeit achten, um ein gesundes, förderorientiertes Arbeitsumfeld zu schaffen.
Career Longevity Beispiel und Good Practice
Constellation Academy unterstützt Unternehmen, Longevity im Unternehmen strategisch zu verankern und die Umsetzung aktiv zu gestalten. Das Vorgehen ist modular und bedarfsorientiert.
In einem mittelgrossen Deutschen Unternehmen wurde der Career Longevity Ansatz in vier Phasen implementiert:
- Strategische Beratung: In Workshops mit der Geschäftsleitung wurde der Handlungsbedarf eruiert und die Ansätze von Career Longevity darauf ausgerichtet in die Unternehmensstrategie integriert.
- Orientierung mit einer IST-SOLL Analyse: Gemäss der strategischen Ziele wurde das Soll für das Unternehmen als Benchmark festgelegt. Mit einer Mitarbeitendenbefragung wurde die aktuelle Situation erhoben und die Übereinstimmungen bzw. Abweichungen zum Unternehmensbenchmark aufgezeigt.
- Massnahmenpakete: Daraus resultierten drei Massnahmenpakete, die in sich kompatibel und ergänzend waren, und gleichzeitig maximale Flexibilität in der Nutzung zuliessen. Flankierend wurden ein betriebliches Gesundheitsmanagement sowie ein Auszeiten Management aufgesetzt. Als Kernangebot wurde ein passendes Portfolio an Weiterentwicklungsangeboten zusammengestellt. Darin enthalten waren individuelle Coachings zu Themen des physischen wie mentalen Wohlbefindens ebenso wie des Selbstmanagements, der Führung und Zusammenarbeit. Weiterbildungen zur Sicherstellung der Zukunftsfähigkeit der Mitarbeitenden und Micro Learning Serien zum On the Job Lernen. Die Angebote waren alle On demand nach Bedarf abrufbar. Vierteljährlich wurden strategisch relevante Themenschwerpunte in eintägigen Camps vor Ort bearbeitet und vertieft. Ergänzt wurden diese in den Zwischenzeiten durch Reverse Coachings, indem jüngere und ältere Mitarbeitende unter Anleitung regelmässig Erfahrungen austauschten.
- Assessment Wirkungsanalyse: Nach einem Jahr erfolgte eine erneute Auswertung und Feststellung es Fortschritts. Darauf basierend wurden die Massnahmenpakete für das Folgejahr weiter ergänzt und neue Themenschwerpunkte für die Camps vor Ort festgelegt.
Stimmen aus der Geschäftsleitung und den Teams bezeugen die Wichtigkeit des Career Longevity Ansatzes:
«Ich hätte mir noch vor einem Jahr nicht vorstellen können, mit so viel Freude und Energie über das Pensionierungsalter hinweg zu arbeiten.»
«Als Geschäftsleitung haben wir es mit Hilfe der Strategieworkshops geschafft, die bisher zerstreuten Themen zu bündeln und uns auf das Wesentliche zu fokussieren, das jetzt aber konsequent und mit einer Erfolgssicherung.»
Autorin: Dr. Sandra Hutterli
Quellen
Bitkom (2024). Digitalisierung der Wirtschaft: Unternehmen wollen Digitalisierung vorantreiben – müssen aber schneller werden. Online (07.09.2024): https://www.bitkom.org/Presse/Presseinformation/Unternehmenwollen-Digitalisierung-vorantreiben#_
Bujard, M. (2022). Die Folgen des demografischen Wandels. Online (07.08.2024): Die Folgen des demografischen Wandels | Demografischer Wandel | bpb.de
Deutsche Industrie- und Handelskammer, DIHK (2023). Fachkräftemangel in Deutschland: DIHK Report 2024 alarmiert! Online (08.09.2024): Fachkräftemangel in Deutschland: DIHK Report 2024 alarmiert! (arbeitundsoziales.de)
Europäische Kommission (2024). Auswirkungen des demografischen Wandels in Europa. Online (07.09.2024): Auswirkungen des demografischen Wandels in Europa – Europäische Kommission
Goecke, H., Hönig, T., Kempermann, H., Kestermann, Chr., van Bal, S. (2024). What If? Eine Betrachtung von Wachstumspotenzialen für Deutschland. iWConsult. Online (07.09.2024): What if? – Eine Betrachtung von Wachstumspotenzialen für Deutschland – Institut der deutschen Wirtschaft (IW) (iwkoeln.de)
Hüther, M. (2024). Fachkräftemangel. In: Podcast Bundeszentrale für politische Bildung (bpb). Online (07.09.2024): Fachkräftemangel | Aus Politik und Zeitgeschichte | bpb.de
OECD (2020). Promoting an Age-Inclusive Workforce: Living, Learning and Earning Longer. In: OECD Publishing, Paris. Online (07.09.2024): https://doi.org/10.1787/59752153-en
Pwc (2023). Psychische Gesundheit am Arbeitsplatz. Online (07.09.2024): Psychische Gesundheit am Arbeitsplatz – People and Organisation aktuell (pwc.at)
Pwc (2024). Wie Unternehmen transformativ bleiben: Jetzt und für die Zukunft. Online (07.09.2024): Wie Unternehmen transformativ bleiben: Jetzt und für die Zukunft – PwC Digital
Rump, J., Eilers, S. (2016). Lebensphasenorientierte Personalpolitik als ganzheitlicher Ansatz zum Umgang mit dem Wandel in der Arbeitswelt. Springer Verlag.
Verdier, É. (2008). L’éducation et la formation tout au long de la vie : une orientation européenne, des régimes d’action publique et des modèles nationaux en évolution. Sociologie et sociétés, 40(1), 195–225. Online (07.09.2024): https://doi.org/10.7202/019478ar