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Career Longevity: Lebensphasen orientierte Laufbahnen ohne Brüche

Dr. Sandra Hutterli im Gespräch mit Stefanie Quade (squadeworld) und Stefanie Dörflinger (lioca)

Worum es bei Career Longevity geht

Laufbahnen verlaufen längst nicht mehr linear. Sie richten sich vielmehr nach individuellen Lebensphasen der Menschen und sich verändernden Bedürfnissen der Arbeitswelt. Erwerbstätige möchten ihre Laufbahn nachhaltig gesund gestalten und nach unterschiedlichen Bedürfnissen verschiedener Lebensphasen ausrichten. Unternehmen sind bestrebt, ausreichend gute und motivierte Fachkräfte langfristig im Unternehmen zu halten, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. New-, Re- und Upskilling sowie ein professionelles Auszeitenmanagement gewinnen dabei an Bedeutung. Wie diese Ansätze dazu beitragen, bei der Laufbahngestaltung die Interessen der Arbeitnehmenden sowie der Unternehmen zu vereinen, erfahren wir im Interview mit Stefanie Quade und Stefanie Dörflinger.

Das Bild zeigt eine grafische Darstellung verschiedener Lebensphasen in Bezug auf Beruf und Ausbildung. Es ist ein Zeitstrahl zu sehen, der wichtige Abschnitte vom jungen Erwachsenenalter bis ins Rentenalter markiert. Die einzelnen Phasen sind durch große, überlappende grüne Bögen dargestellt, die jeweils wichtige Lebensabschnitte kennzeichnen, wie z.B. „Ausbildung“, „Erste Phase Berufstätigkeit“, „Familienphase Kinder“, „Individuell wechselnde und überschneidende Phasen von Berufstätigkeit, Aus- und Weiterbildung“, „Familienphase Enkel“ und „Übergang in die individuell gestaltete Selbstständigkeit“. Zusätzliche Informationen über wichtige Zeitpunkte wie „-25 Jahre“, „+/- 30 Jahre“, „+/- 40 Jahre“, „+/- 50 Jahre“, und „+/- 60 Jahre“ sind ebenfalls abgebildet. Das Konzept von Neu-, Re- und Upskilling sowie das Management von Auszeiten wird über den gesamten Zeitstrahl hinweg angedeutet.

Wie können Laufbahnen attraktiv gestaltet werden?

Um zukunftsfähig zu bleiben, müssen sich Mitarbeitende kontinuierlich weiterentwickeln. Sei es, dass sie neue Rollen erlernen, bestehende Fähigkeiten erweitern oder sie sich kontinuierlich neuen Gegebenheiten anpassen. Unternehmen, die diese Bedarfe frühzeitig erkennen und entsprechende Weiterentwicklungsmöglichkeiten anbieten, sind attraktiver für Mitarbeitende. Denn dadurch können diese ihre Laufbahnen aktiv gestalten, und sie erleben Rollenwechsel nicht als Bruch, sondern als logischen nächsten Schritt. Die Chance, dass diese Mitarbeitenden im Unternehmen bleiben und sie kompetent zum Unternehmenserfolg beitragen, ist größer.

Reskilling
bedeutet, neue Fähigkeiten zu erlernen, um eine andere Rolle zu übernehmen. Ein solcher Wechsel in eine andere Position oder einen anderen Aufgabenbereich kann eine attraktive Weiterentwicklungschance oder ein wichtiger Schritt für die berufliche bzw. unternehmerische Zukunftsfähigkeit sein.
Upskilling
zielt darauf ab, bestehende Fähigkeiten zu erweitern und zu vertiefen, um sich an die Veränderungen in der Branche, den technologischen Fortschritt und neu entstehende Arbeitsanforderungen anzupassen. Upskilling ermöglicht es Arbeitnehmenden, in ihrem aktuellen Tätigkeitsbereich kompetent und auf dem Arbeitsmarkt wettbewerbsfähig zu bleiben.
Newskilling
bezeichnet den kontinuierlichen Lernprozess, der es Mitarbeitenden ermöglicht, sich an neue Technologien und Arbeitsmethoden anzupassen. Damit werden die Anpassungsfähigkeit und Veränderungsoffenheit der Mitarbeitenden in einem Unternehmen bzw. im Arbeitsmarkt gefördert
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Warum sind Reskilling, Upskilling und Newskilling wichtig?

Stefanie Quade: Die Arbeitswelt steht unter einem permanenten Wandel – ob durch technologische Fortschritte, neue Marktanforderungen oder gesellschaftliche Veränderungen. In diesem Kontext sind Reskilling, Upskilling und Newskilling unverzichtbar, um Mitarbeitende und Unternehmen gleichermaßen auf die Zukunft vorzubereiten.

  • Reskilling wird besonders bei strukturellen Veränderungen und technologischen Umbrüchen innerhalb von Unternehmen angewendet, z. B. wenn Produktionsabläufe automatisiert werden oder ganze Abteilungen neue Schwerpunkte erhalten wie z.B. in der Verlagsbranche in den letzten Jahren. Es ermöglicht Mitarbeitenden, in völlig neuen Rollen einen wertvollen Beitrag zu leisten.
  • Upskilling findet seinen Einsatz in Branchen, die sich schnell weiterentwickeln, wie aktuell z.B. in der Energiebranche, dem Gesundheitswesen oder Finanzdienstleistungen. Mitarbeitende werden hier gezielt darauf vorbereitet, mit den aktuellen Entwicklungen Schritt zu halten.
  • Newskilling wird vor allem in Innovationsprojekten und während umfassender Transformationsprozesse genutzt, um Mitarbeitende frühzeitig auf kommende Herausforderungen vorzubereiten. Ein Beispiel ist die Einführung von Künstlicher Intelligenz in bestehende Geschäftsprozesse.

Was ist der Mehrwert von kontinuierlicher Weiterentwicklung der Mitarbeitenden?

Die Dynamik dieser permanenten Veränderungen erfordert es, dass Kompetenzen nachhaltig aufgebaut werden. Durch gezielte Weiterentwicklung:

  • wird die Innovationsfähigkeit von Organisationen gestärkt: Mitarbeitende bringen neue Perspektiven und Kompetenzen ein, die für die Erschließung neuer Märkte oder die Einführung moderner Technologien entscheidend sind.
  • entstehen nachhaltige Laufbahnen: Menschen können sich an veränderte Arbeitsrealitäten oder durch eigene persönliche Umbrüche neu justieren und bleiben motiviert, sich aktiv in Unternehmen einzubringen. Dies steigert die Talent Retention und verhindert den Verlust wertvoller Fachkräfte.
  • wird eine zukunftsorientierte Unternehmenskultur gefördert: Unternehmen, die auf New-, Re- und Upskilling setzen, entwickeln eine Veränderungskultur, die sie widerstandsfähiger gegen Krisen macht.

Aus meiner Erfahrung als Beraterin sehe ich immer wieder, dass es von entscheidender Bedeutung ist, sowohl den strategischen Rahmen zu spannen als hands-on ins Machen zu kommen und die Mitarbeitenden gezielt und praxisnah und nicht nach dem Gießkannenprinzip individuell und doch ausgerichtet aus das Gesamtziel des Unternehmens weiterzuentwickeln.
In unserem Buch „Transformation und Innovation mit DesignAgility“ erläutern wir, wie Unternehmen durch systematisches Innovationsmanagement und Agilität nicht nur Veränderungen erfolgreich meistern, sondern diese pro-aktiv gestalten können.

Welche Methoden gibt es für Reskilling, Upskilling und Newskilling?

Stefanie Quade: Für jedes Unternehmen und je nach strategischem Ziel und aktueller Selbstlernfähigkeit der Mitarbeitenden ist ein individueller Mix aus Methoden unerlässlich. Es gibt eine Vielzahl von Methoden, die individuell an die Lebensphase der Mitarbeitenden sowie an die Bedürfnisse des Unternehmens angepasst werden können:

  • Weiterbildungen: Strukturierte Programme, die gezielt auf neue Aufgaben oder Spezialisierungen vorbereiten.
  • Micro Learnings: Kurze Lerneinheiten, die flexibel in den Arbeitsalltag integriert werden können, ideal für Upskilling und Newskilling.
  • On-the-Job-Trainings: Praktisches Lernen im Arbeitskontext, kombiniert mit Reflexion und Feedback.
  • Coaching: Unterstützung bei der Entwicklung neuer Kompetenzen und der Integration in die Arbeitsrealität.
  • Mentoring: Erfahrungsbasierter Wissenstransfer durch erfahrene Kolleg:innen.
  • Projektbasiertes Lernen: Mitarbeitende übernehmen in neuen Projekten Rollen, die gezielt ihre Kompetenzen erweitern.
  • Digitale Lernplattformen: Zugang zu Online-Kursen, Webinaren oder Lerncommunities, um zeit- und ortsunabhängig zu lernen.

Die Kombination dieser Methoden macht Lernprozesse effektiv und anpassungsfähig.

Das Bild stellt den Prozess der Kompetenzentwicklung dar, unterteilt in vier Phasen: Bedarfsanalyse, Lösungsdesign, Umsetzungsplan und Ergebnissicherung. Jede Phase fokussiert auf spezifische Aspekte der Re-/Up-/New-Skilling-Strategien und ihrer Implementierung.

Wie kann eine Veränderungs- und Lernbereitschaft gefördert werden?

Stefanie Quade: Die Förderung einer Veränderungsfähigkeit und Lernbereitschaft setzt auf individuelle und organisatorische Ansätze:

  • Growth Mindset: Mitarbeitende sollten ermutigt werden, Herausforderungen als Chancen zu sehen und aus Fehlern zu lernen. Über Micro Learnings können Mitarbeitende Themen wie Resilienz oder Feedbackkultur sehr gut erarbeiten. Dazu erarbeite ich aktuell zusammen mit Constellation Academy eine Micro Learning Serie. Dort zeigen wir das Modell des Growth Mindset mit seinen Chancen und Herausforderungen auf, und wir bieten konkrete Methoden und Instrumente an, wie Offenheit für Neues gestärkt, die Lernbereitschaft gefördert, eine positive Fehlerkultur etabliert, der Teamgeist entwickelt und eine kundenorientierte Denkweise gepflegt werden können.
  • Transparente Kommunikation: Klare Informationen über die Bedeutung von Reskilling und Upskilling für persönliche und berufliche Ziele schaffen Akzeptanz.
  • Selbstverantwortung: Mitarbeitende sollten befähigt werden, ihre Lernbedarfe zu erkennen und aktiv nach Entwicklungsmöglichkeiten zu suchen.
  • Belohnung von Lernbereitschaft: Sichtbare Anerkennung von Weiterentwicklung fördert ein positives Lernklima.
    Teamkultur: Psychologische Sicherheit bietet Teams das Fundament, um Veränderungen gemeinsam zu tragen und voneinander zu lernen.
  • Veränderungsfähigkeit in Teams: Kompetenzen auf Teamebenen analysieren und stärken, um die Veränderungsfähigkeit zu stärken, damit Innovation und Transformation gelingen (siehe auch Quade/Schlüter (2024), ZFO)
  • Praxisnähe: Lerneinheiten sollten direkt umsetzbar sein, damit die positiven Effekte schnell spürbar werden.

Die Veränderungsfähigkeit und Lernbereitschaft in Unternehmen ist kein Selbstläufer, sondern entsteht durch ein unterstützendes Umfeld und einen klar erkennbaren Nutzen für die Mitarbeitenden in ihrer jeweiligen Lebensphase.

Auszeitenmanagement

bezieht sich auf die systematische Planung und Begleitung von beruflichen Auszeiten, um sowohl den Bedürfnissen der Mitarbeitenden als auch den betrieblichen Anforderungen gerecht zu werden. Es umfasst Richtlinien, Prozesse, Kommunikation, Wissenstransfer und Personalentwicklung für verschiedene Arten von Auszeiten wie Elternzeit, Pflegezeit, Bildungsurlaub und Sabbaticals.

Welche Good Practices von Auszeitenmanagement gibt es?

Stefanie Dörflinger: Good Practice ist erst einmal, dass es einen Standard-Vorgehen für verschiedene Typen von Auszeiten gibt, den alle Führungskräfte und Personaler im Unternehmen kennen. Das nimmt allen Beteiligten ganz banal erstmal die Hemmung, eine Auszeit überhaupt anzusprechen und ermöglicht Ihnen, sich auf das konkrete Handling der Situationen zu konzentrieren. Wenn dann noch die Kultur & Kommunikation rund um Auszeiten stimmen und das Nehmen von gerade (irgendwann) unausweichlichen Auszeiten wie Elternzeit, Langzeiterkrankung (darunter fallen auch mentale Erkrankungen wie Burnout oder Erschöpfungszustände) oder Pflege von Angehörigen nicht mit kulturellen Sanktionen verbunden ist, dann profitieren alle Beteiligten davon. Die Organisation profitiert, weil sie mehr Planungssicherheit bekommt und Mitarbeitende auch nach Auszeiten produktiv ins Unternehmen zurückkehren. Außerdem ist die positive Wirkung im Employer Branding sowohl intern als auch extern sehr hoch: als Arbeitgeber wird ein Unternehmen schlicht attraktiver, weil es zeigt: hier fällst du durch private Lebensphasen nicht aus der Karriere, hier kannst du beides vereinen. Und Mitarbeitende profitieren, weil sie die Unterstützung erhalten, unterschiedliche Lebensphasen zu meistern und zu gestalten, um sich dann wieder ihrem beruflichen Engagement zu widmen – voller Energie und mit neuen Kompetenzen ausgestattet.

Wie tragen Auszeiten zur persönlichen und beruflichen Weiterentwicklung bei?

Stefanie Dörflinger: In Auszeiten vom beruflichen Alltag erlernen und oder trainieren wir oft Kompetenzen, ohne es bewusst zu merken. Sei es in selbst gewählten, positiv-konnotierten Auszeiten wie Sabbaticals, Elternzeit oder Weiterbildung oder auch in negativ erscheinenden, wie Langzeiterkrankungen oder Pflege von Angehörigen bilden wir Fähigkeiten heraus und können Stärken aufbauen, die wir ohne die Perspektive und Erfahrung der Auszeit niemals in diesem Maße trainieren würden. Mit Stress, negativen Entwicklungen, dem eigenen Energiemanagement oder auch Komplexität besser umgehen zu können beispielsweise, fasse ich mal unter dem breiten Begriff «Resilienz» zusammen. Auch gewisse Führungskompetenzen wie Entscheidungsfreude, Prioritätensetzung, Delegation, Empathie und die Fähigkeit, verschiedene Perspektiven einzunehmen, trainieren wir in gewissen Situationen verstärkt, ohne das so bewusst zu steuern.
Um genau diesen Stärkenaufbau nach einer Auszeit messbar zu machen, haben wir bei Lioca gezielte Impactanalysen entwickelt, mit denen wir neu oder stärker ausgebildete Fähigkeiten analysieren und sichtbar machen. So können sie zum einen zu einem höheren Selbstbewusstsein von Mitarbeitenden nach der Auszeit beitragen und so einen schnellen und produktiven Wiedereinstieg fördern. Zum anderen haben sowohl Führungskraft als auch Mitarbeiter nun ein objektives und konkretes Werkzeug in der Hand, um die persönliche Weiterentwicklung und die Frage zu besprechen, wie die neuen Stärken gewinnbringend für alle Beteiligten im Job eingebracht werden können. Und vielleicht erscheinen in manchen Fällen ja Beförderungen nach einer Auszeit gar nicht mehr so abwegig.

Wie können Mitarbeitende bei Auszeiten optimal unterstützt werden?

Stefanie Dörflinger: Im Vorfeld der Auszeit transparent und klar besprochen zu haben, etwa was wann passiert, wann, wie und was kommuniziert wird – auch während der Auszeit – und wann sich Mitarbeiter und Führungskraft /Team für einen Check-In wieder sehen, ist für Menschen die wichtigste Grundlage. Struktur und klare Absprachen lassen keinen negativen Raum für Sorgen und Spekulationen zu und geben Sicherheit – und zwar sowohl für Mitarbeiter als auch für Führungskraft und Team. Darüber hinaus gibt es Auszeiten, bei denen bei einem Wiedereinstieg eine spezifische Coaching-Begleitung sehr sinnvoll ist. In vielen Auszeiten ändern sich die Rahmenbedingungen und Anforderungen, die Menschen an ihren beruflichen Alltag haben. Damit muss man erstmal umgehen lernen. Damit das nicht zu Frust und im schlimmsten Fall zur Kündigung führt, ist spezifische Unterstützung der richtige Weg. Darunter fallen etwa Wiedereinstiege nach privaten Auszeiten wie Elternzeit, Langzeiterkrankung, Pflege für Angehörige. Gemeinsam mit Constellation Academy bieten wir ein spezifisch dafür konzipiertes und erfolgreiches Coaching «Coaching: Karriereplanung nach Elternzeit, Sabbaticals, privaten Auszeiten» an.

Das Bild zeigt den Ablaufprozess einer Auszeitgestaltung, beginnend mit der Bedürfnis- und Planungsphase, gefolgt von Check-Out, Auszeit, Check-In und einem Follow-Up. Es integriert Micro Learning Serien und Coaching-Angebote zur Unterstützung der Kompetenzentwicklung während der Auszeit sowie eine Impact-Analyse zur Bewertung der Effekte.

Phasen des Auszeitenmanagements (Beratung lioca, Angebote Constellation Academy)

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Wir beraten euch gerne, wie ihr Career Longevity in eurem Unternehmen umsetzt.

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Unsere Angebote

Hier findest du weitere interessante Weiterentwicklungsangebote.

Quade, S., Schlüter, O. (2024). Innovation und Transformation mit Design Agility. Zukunft machbar gestalten und systematisch entwickeln. Schäfer Poeschel. Online (10.12.2024): www.designagility.de

Quade, S., Schlüter, O. (2024), Zeitschrift für Führung und Organisation (ZFO, Ausgabe 05/2024). Online (05.12.2024), https://www.zfo.de/suche-archiv/Document/details/3989_12